Ein kleiner Schneemann begrüßt uns am Eingang zum Flüchtlingslager Slavonski Brod. Doch die Idylle täuscht. Wir müssen zunächst Sicherheitskontrollen – wie an einem Flughafen – passieren. Die Grenzpolizei hat hier das Sagen. Die Flüchtlinge selbst kommen an diesem Aus- und Eingang nie vorbei. Sie erreichen das Transitlager per Zug aus Serbien und verlassen es weniger Stunden später mit einem Zug nach Slowenien.
Eine Diesellok zieht den Sonderzug auf das Industriegelände. Vor wenigen Stunden startete der Zug in Serbien und hat nun den ersten Aufenthalt in der Europäischen Union. Die Flüchtlinge müssen an diesem provisorischen Bahnhof aussteigen.
Kata Nujié ist eine der vielen kroatischen Grenzpolizisten, die hier neben den verschneiten Gleisen stehen.
900 Flüchtlinge sind in diesem Zug. Und das ist noch wenig. Bis zu vier Mal am Tag trifft hier ein Zug ein. Es ist für uns schwer, dass alles mit anzusehen. Wir fühlen uns an den Jugoslawien-Krieg vor 20 Jahren erinnert und deshalb versuchen wir zu helfen, wo wir können.
Die Flüchtlinge werden durch Zelte geschleust. Zuerst registriert sie die Polizei: Fingerabdrücke, Fotos, Ausweiskontrolle. Nur Syrer, Afghanen und Iraker dürfen weiterreisen, die anderen fahren mit dem nächsten Zug zurück nach Serbien – heute allerdings sind nur die drei Nationalitäten vorhanden. In weiteren Zelten gibt es Essen, Getränke und Kleidung.
Eine zehnköpfige Familie steht neben uns – Kinder, Eltern und weitere Verwandte. Der Vater erzählt:
Wir kommen aus Rakka, aus dem von dem IS eroberten Gebiet in der Nähe der Türkei. Wir wollen nach Deutschland und ich hoffe, dass meine Kinder nie wieder das sehen müssen, was sie sahen.
Der Mann will keine weiteren Details über die Erlebnisse erzählen. In den Gesichtern der Familie sieht man, wie schlimm es gewesen sein muss.
Ein anderer Flüchtling steht auf Krücken, ihm fehlt ein Fuß. Auch er will mit seiner Frau und zwei Cousins nach Deutschland. Die vier kommen aus Syrien.
Es gibt nichts mehr, wo wir bleiben könnten. Es ist alles weg.
Und später sagt er, seit sein Fuß nach einem Autounfall amputiert wurde, könne er im Kriegsgebiet nicht mehr überleben.
Nach vier Stunden fährt ein anderer Zug die Flüchtlinge weiter nach Slowenien. Von dort aus werden sie über die EU verteilt. Im Lager bleiben 30 Personen zurück, die noch ärztlich behandelt werden müssen. Platz wäre hier allerdings für 5.000 Personen, sollten die Grenzen dicht gemacht werden.
Als wir Journalisten das Lager verlassen, sind von dem inzwischen geschmolzenen Schneemann nur noch ein weißer Haufen und der Schal übrig. Es passt zur Stimmung im Lager.
Weitere Beiträge
Das vollständige Live-Gespräch vom 07.01.16 mit MDR INFO aus dem Lager Slavonsk Brod lässt sich hier nachhören:
Meine Eindrücke und weitere Fotos aus Slavonski Brod habe ich hier veröffentlicht.
Tagebuch
- Balkantour startet
- In sechs Tagen starte ich
- Kurz vor dem Start der Balkanreise: Routenänderung
- Balkan-Projekt ist Start der neuen Hauptredaktion „Information“
- Gepäck gepackt – Balkan-Reise kann starten
- Zug zum Flug
- Zug fällt aus – weiter per Taxi
- Zwei Stunden zum Flughafen – vier Minuten für die Gepäckaufgabe
- Flughafen Leipzig / Halle aufgrund der Wetterlage geschlossen
- Flug nach München annuliert
- Lost in the system…
- Gleiches Flugzeug – zweiter Versuch
- Zwischenstation München
- Letzte Etappe für heute: Per Bus zum Hotel
- Ein wenig Tourismus am Abend
- Gedanken beim Frühstück
- Freiwillige sammeln Sachspenden
- Ankunft in Slavonski Brod
- Schnee in Slavonski Brod
- Ein Tag im Flüchtlingslager Slavonski Brod
- Abschied von Slavonski Brod
- Spezielles USB-Kabel fehlt
- Bericht aus dem Flüchtlingslager Camp Krnjača
- Abendspaziergang durch Belgrad
- Miksalište ist ein Belgrader Anlaufpunkt für Flüchtlinge
- Am letzten Tag: Ersatzkabel entdeckt
- Der Tourbus wartet schon
- Erinnerung an einen Krieg vor über 25 Jahren
- Ticket erneut digital verschwunden
- Und wieder zurück im Sendegebiet
- Reportage über Belgrad für MDR INFO produziert
- Für viele Flüchtlinge endet die Balkanroute in Belgrad
- Beitrag für Sonntag ist fertig
- Kroatien und Serbien kündigen an, nur Flüchtlinge Richtung Deutschland und Österreich ins Land zu lassen
- Flüchtlinge und Polizisten – Schicksale auf der Balkanroute
- Ein Flüchtling hilft in Kroatien anderen Zuwanderern bei der Integration
- Babytragetücher helfen Flüchtlingsfamilien
- Endstation Balkanroute – wo sich Fluchtwege trennen