Wer oder was sind die Hacker in Deutschland? Was macht den Chaos Computer Club, in dem sich deutsche Hacker zusammengeschlossen haben, zu einem ganz anderen Verein, als man es sonst so gewöhnt ist? Fragen, mit denen sich jetzt eine Historikerin wissenschaftlich beschäftigt hat. Und dabei kam viel heraus über die Wurzeln der Hackerkultur in Deutschland. 40 Jahre ist deren Beginn jetzt her. Und die Wissenschaftlerin erzählte das den Hackern auf ihrem Kongress rC3. Darüber berichtete ich für den ARD Hörfunk.
Julia Erdogan ist Historikerin. An der Universität Potsdam promovierte sie zu den Hackerkulturen in der Bundesrepublik und der DDR. Nun steht sie vor der aktuellen Generation der gesamtdeutschen Hacker. Pikanterweise via Video zugeschaltet und auch nur digital sichtbar – denn der Jahreskongress, zu dem sonst in den letzten Jahren 17.000 Besucher nach Leipzig kamen, findet fast ausschließlich im Internet statt. Ihre Suche, nach dem, was die Hacker sind und wie deren ganz eigene Kultur entstand, begann dagegen völlig analog. In einem Keller unterhalb der Berliner Räume des Chaos Computer Clubs gibt es ein völlig fast völlig unbekanntes Archiv aus den 80er und 90er Jahren erzählt Julia Erdogan:
Als ich dort für meine Recherchen war, ist mir auch aufgefallen, dass dieses historische Bewusstsein, das in den 80er Jahren sehr stark war, auch ein bisschen verloren gegangen ist. Als Historikerin wurde ich natürlich gefragt, was ich dort mache. Und als ich auf dieses besagte Archiv hingewiesen habe, kam entweder die Antwort: `Ach, das ist in diesen Ordnern?`oder sogar die Frage, von welchen Ordnern ich überhaupt sprechen würde.
Dr. Julia Erdogan, Historikerin
Viele Briefe entdeckte Julia Erdogan aus der Gründerzeit des Chaos Computer Clubs Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die Inhalte zeigen, dass es ein sehr klares politisches Bekenntnis in die linke Szene gab, was bis heute ein Bestandteil der Hackerkultur sei.
Ja, da findet man das Angebot mitzuarbeiten, da wird von Widerstand gesprochen, da wird davon gesprochen, wie man jetzt den BKA-Computer zum Absturz bringen kann, und wie man die Welt verändern kann.
Dr. Julia Erdogan, Historikerin
Dinge, die sehr gefährlich und strafrechtlich brisant erscheinen. Doch das Bild der Hacker sollte sich noch formen.
Eine Anzeige in der links-alternativen Tageszeitung vom 1. September 1981 deutet auf die Gründung des Chaos Computer Clubs hin. Elf Tage später wollte man sich in den Räumen der Zeitung treffen. Die Historikerin Julia Erdogan zitiert aus der Anzeige. Dass die innere Sicherheit nur durch den Einsatz von Computer gefestigt würde, sei bei den Mächtigen eine gefestigte Meinung. Die Erkenntnis dass Computer nicht streikten, setze sich inzwischen auch bei den kleinen und mittleren Untehmen durch. Julia Erdogan weiter:
Das sich mit kleineren Computern trotz alledem sinnvolle Sachen machen lassen, die keine zentralisierten Großorganisationen erfordern, glauben wir, damit wir als Computer-Freakts nicht länger mehr vor uns hinwuseln, tun wir wat und treffen uns.
Dr. Julia Erdogan, Historikerin
Das ist das berühmte „Tu wat“ vor genau 40 Jahren. Es gilt als die Gründung des Hacker Clubs. Und dann ging es relativ schnell. Bereits Mitte der 80 Jahre zeigt sich, dass der Zusammenschluss der Hacker diese aus den versteckten Winkel herausgeholt. Die Historikerin Erdogan:
Sie sind nicht nur bekannt, sondern sie sind sehr gefragt. Eben als Experten, die sich nicht nur mit der Technik, sondern eben auch mit den gesellschaftlichen Auswirkungen von Technologie auskennen.
Dr. Julia Erdogan, Historikerin
Das ist bis heute eines der Kennzeichen des Chaos Computer Clubs. Doch die Historie zeigt noch etwas anderes, was dem Ruf förderlich war. Am 19. November 1985 hackt der Chaos Computer Club das BTX-System – ein erster Online-Dienst in der alten Bundesrepublik – der Post, welches diese mehrfach gegenüber den Hackern als absolut sicher bezeichnete. Es gelingt, die Hamburger Sparkasse online um 135.000 DM zu erleichtern. Geld, dass man dem Eigentümer später zurückgibt, aber so es gelingt es, die Öffentlichkeit auf eine Sicherheitslücke aufmerksam zu machen. Das Bild vom guten Hacker entstand, dem man das Eindringen in Netzwerke verzeiht, weil er damit auf Probleme aufmerksam macht, die alle treffen könnten, wie Julia Erdogan berichtet:
Diese Inszenierung des guten Hackers bedeutete auch, hier Legitimität für sich und für ihr Handeln herzustellen, indem eben, dass, was sie am Computer taten, in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext stellen.
Dr. Julia Erdogan, Historikerin
Diese historischen Erkenntnisse zeigen, wie die Hackerkultur in Deutschland entstanden ist und wie bestimmte Werte auch weiterhin durch die Hacker gelebt werden.