Lokführer in Braunschweig steuert Zug im Erzgebirge fern

Mit Eisenbahner-Warnweste im Bahnhof Schlettau
MDR Aktuell, 24.11.22

Ganz versteckt im Erzgebirge gibt es eine Bahnstrecke, die als Testgebiet für Züge ohne Fahrer vorgesehen ist. Eisenbahnfans bezeichnen sie auch als eine der schönsten Bahnstrecken Deutschlands. Gestern fuhr hier erstmals ein Zug, der nicht selbstständig unterwegs war, sondern aus Braunschweig ferngesteuert wurde. Für MDR Aktuell war ich mit dabei.

So, Federspeichenbremse hat gelöst. ZP1 geben und abfahren.

Oliver Brückom

Völlig unspektakulär beginnt die Testfahrt. Oliver Brückom leitet deren Ablauf und ist für die Sicherheit verantwortlich. ZP 1 ist übrigens der kurze Pfeifton vor Fahrtbeginn jetzt im Bahnhof Schlettau. Den Knopf dafür drückt Volker Grube an einem Tisch in Braunschweig. Via Funktelefon hört er die Anweisungen aus dem Triebwagen. Grube ist der Lokführer, ohne selbst auf dem Zug im Erzgebirge dabei zu sein.

Der Lokführer im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig
Der Lokführer im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig

Ich kann jetzt von hier aus fahren. Ich kann von hier aus Bremsen. Ich kann von hier aus die Federspeichenbremse, das heißt praktisch im Zug eine Handbremse anlegen. Dann kann ich die Türen schließen von hier und ich kann den Achtungspfiff geben von hier.

Volker Grube, Lokführer
Der Lokführer in Braunschweig und der leere Fahrerstand in Schlettau
Der Lokführer in Braunschweig und der leere Fahrerstand in Schlettau

Lokführer Grube beobachtet vor sich auf einem Monitor genau die Strecke. Es sieht aus wie ein Computerspiel, doch es ist das Realbild, welches von Kameras am Zug aus übertragen wird. Die Daten zwischen dem Zug im Bahnhof Schlettau und dem Lokführer in Braunschweig werden via Mobilfunk und über das Internet so schnell verschickt, dass es kaum eine Zeitverzögerung gibt. Die Übertragung hat Vorrang vor anderem Datenverkehr, so dass es zu keinem Ausfall kommt. Einer der Fahrgäste im ferngesteuerten Zug ist Martin Dulig, Sachsens Wirtschaftsminister. 340 Kilometer vom Lokführer entfernt ist er begeistert.

Ja, willkommen im 21. Jahrhundert.  Autonomes, automatisiertes Fahren wird Teil von künftigen Mobilitätskonzepten sein. Die Menschen wollen aber, dass das sicher ist. Und deshalb ist es wichtig, dass wir das Testen. Und dass wir das hier in Sachsen machen, finde ich hervorragend.

Martin Dulig, Wirtschaftsminister Sachsen

Thales-Versuchszug im Bahnhof Schlettau
Thales-Versuchszug im Bahnhof Schlettau

Autonomes Fahren heißt, dass der Zug selbständig fährt – ganz ohne Lokführer. Deshalb gibt es unter den Fahrgästen die Frage, ob es als Vorstufe nun Lokführer zuhause – also im Homeoffice – geben solle. Ein weiterer Fahrgast beruhigt. Michael Ortgiese, vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt, das die Technik entwarf.

Wir wollen keine Züge fernsteuern auf der langen Distanz. Unser Ziel ist es, dass die Züge automatisiert autonom Fahren. Aber trotzdem: Irgendwann wird es mal eine Situation geben, wo der Zug, die Automatisierungstechnik alleine nicht mehr weiterkommt. Dann muss ein Mensch eingreifen, muss ihm quasi helfen. Und da muss sich so ein fernsteuernder Lokführer auf den Zug draufschalten können.

Prof. Michael Ortgiese, Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt

Die Fernsteuerung als Problemlösung, damit der Zug bei Störungen nicht auf offener Strecke stehenbleibt. Außerdem kann die Fernsteuerung beim Abstellen der Züge eingesetzt werden, wo der Fahrer dann mehrere Züge hintereinander bewegen könnte, ohne umsteigen zu müssen. Während die Fahrgäste noch fachsimpeln, endet die Fahrt wie sie begann: ganz unspektakulär mit einem Dialog der beiden Eisenbahner in Schlettau und Braunschweig.

Federspeichenbremse ist angelegt. – Und dann gibst du bitte einmal Türfreigabe. – Und Türfreigabe. – Vielen Dank für die Reise. — Applaus

Volker Grube und Oliver Brückom
Thales Versuchszug im Bahnhof Schlettau
Thales Versuchszug im Bahnhof Schlettau

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