Das Grundstück am Rande des Flusses Save hat sicher schon bessere Zeiten gesehen. Hütten, Zelte und ganz viele Menschen stehen hier auf engstem Raum. Miksalište heißt der Ort. Hier können die Flüchtlinge tagsüber unterkommen. Sie werden durch verschiedene Nichtregierungs-Organisationen betreut, bekommen warmes Essen und Getränke.
Die Stimmung im Zelt ist an diesem winterlichen Tag sehr aufgeheizt. Dass Journalisten aus Deutschland da sind, ist schnell bekannt. Auf Urdu schildern einige Pakistanische Flüchtlinge ihre Situation. Urdu ist die offizielle Amtssprache in Pakistan.
Die kroatische Polizei hat Flüchtlinge geschlagen und wieder nach Serbien zurückgeschickt
– sagt einer der Flüchtlinge.
Das Nachbarland Kroatien gehört zur Europäischen Union. Nur Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Irak dürfen dort per Zug einreisen. Für Vertriebene aus anderen Ländern ist es das Ende ihrer Reise, denn legal kommen sie normalerweise nicht mehr weiter. Deshalb wurden die Pakistani auch aus Kroatien zurück nach Serbien geschickt. Doch hier in Miksalište geben sie sich damit nicht zufrieden.
Sie wollen am Abend einen neuen Versuch unternehmen, um die Grenze zu passieren – sagen uns die Pakistani.
Und dann kommt heraus, wie das funktionieren soll. Ein Pakistani, nennen wir ihn Aftab, hat ein sehr offiziell aussehendes Dokument der griechischen Polizei dabei. Darin steht, dass er aus Afghanistan stammt – und mit dieser Nationalität könnte er einreisen. Das Dokument habe man von einem Agenten erhalten. Agenten, das sind international operierende Fluchthelfer – ein inzwischen gutbezahlter illegaler Beruf. Aftab sagt, er wolle nach Deutschland reisen. Doch die kroatische Polizei arbeitet mit Übersetzern zusammen, um genau herauszubekommen, welche Muttersprache die Flüchtlinge sprechen. Wer nicht Paschtu oder Farsi spricht, wird zurückgewiesen – auch wenn ein Dokument die afghanische Nationalität bestätigt. Das weiß auch Aftab, doch er will die Einreise trotzdem versuchen.Gleich neben ihm steht Qamar – er spricht uns plötzlich auf Deutsch an.
Ich komme aus Pakistan. Drei Monate später gehen aus Österreich.
Drei Monate habe er bereits in Österreich gelebt, in Eisenstadt südlich von Wien, erfahren wir dann später. Quamar gehört der Minderheit der Qadiani an – einer Splittergruppe des Islams. Doch die Mehrheit der Muslime sehen in ihnen Abweichler vom Glauben. Für Quamar könnte das tödlich sein, denn andere Glaubensgeschwister wurden schon gejagt – deshalb könne er nicht mehr nach Pakistan zurück. Dabei kenne seine Religion nur ein Motto:
Liebe für alle, Hass für keinen.
„Liebe für alle, Hass für keinen“ – die österreichischen Behörden überzeugte seine Geschichte nicht. Quamar wurde abgeschoben. Die Begründung: Er sei zuerst in Bulgarien registriert worden. Doch Quamar will nach Österreich – legal, ohne falsches Dokument und ohne Fluchthelfer. Er habe in Österreich Freunde, könne schon ein wenig von der Sprache und wolle dort weiter Flüchtlingen helfen, wie er es in Eisenstadt schon getan habe.
In ihrer Heimat würden sie wahrscheinlich nicht so friedlich nebeneinander stehen: Doch in Miksalište bringt ihr Flüchtlingsschicksal Aftab und Quamar vorübergehend zusammen.
Tagebuch
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