Faktencheck: Social Bots sind technisch möglich, aber nicht im Einsatz

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Stehen doch Menschen hinter angeblichen Social Bots?

Seit Monaten sind die sogenannten SocialBots in aller Munde. Kleine Computerprogramme, die sich bei Twitter und Facebook zu Wort melden sollen, sich dabei als menschlicher Nutzer tarnen  und die  Meinung der anderen User  in eine bestimmte Richtung beeinflussen. Doch es gibt auch Zweifel daran. Für MDR Aktuell wollte ich deshalb klären: Gibt es Social Bots? Oder sind Sie nur eine Erfindung?

Der Chaos Computer Club ist sozusagen der Verband der Hacker in Deutschland. Hier versammeln sich diejenigen, die in die Tiefen des Internets und in fremde Computer eindringen können. Constanze Kurz ist Sprecherin dieser Hacker. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über Wahlcomputer. Sie kennt sich aus, wenn es um digitale Beeinflussung von Wählern geht.

Wenn man es von der technischen Seite beeinflusst, dann kann man solche Social Bots herstellen. Was wir allerdings relativ klar wissen, ist, dass sie in den tatsächlichen Desinformationskampagnen, die bereits untersucht wurden, also in den letzten ein, zwei Jahren und darüber hinaus keine bedeutende Rolle gespielt haben im Sinne der heimlichen Beeinflussung.

Constanze Kurz , Chaos Computer Club

Der Datenjournalist Michael Kreil wollte genauer wissen, was denn hinter diesen Social Bots steckt. Dafür hat er rund  400 Millionen deutschsprachige Meldungen bei Twitter ausgewertet. Kreil stellte dabei fest, dass bei den bisherigen Untersuchungen zu den Social Bots handwerkliche Fehler gemacht wurden. Das habe dazu geführt, dass reale Menschen einfach als SocialBots gewertet würden. Kreil verweist als Beispiel auf die Untersuchung der Universität Oxford.

Die  definiert Social Bots daran, dass ein Account mehr als 50 Mal pro Tag twittert.

Michael Kreil , Datenjournalist

Wenn man diese Zahl zu Grunde lege, würden beispielsweise auch Politiker als Social Bots, also als Computerprogramme, gezählt werden. So habe er beispielsweise herausgefunden,

… dass der Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs 120 Mal am Tag twittert, und am 6. Januar, als Olaf Scholz seine Kanzlerkandidatur vorgeschlagen hat, hat er sogar 367 Tweets abgesetzt an einem einzigen Tag.

Michael Kreil , Datenjournalist

Gezählt werden dabei auch Diskussionsbeiträge und Tweets von Mitarbeitern, die  unter dem Namen der Politiker schreiben. Trotzdem: Johannes Kahrs würde nach den Kriterien der Universität Oxford als Social Bots gewertet werden. Bei seinen Untersuchungen hat Michael Kreil noch viele andere Twitter-Accounts entdeckt, die fälschlicherweise als Computerprogramme angesehen werden: Gerade Journalisten oder politisch aktive Menschen würden sehr oft wesentlich mehr als nur 50 Tweets täglich  senden. Übrigens habe bislang noch niemand einen Social Bot namentlich genannt.

Constanze Kurz vom Chaos Computer Club hat eine Erklärung, weshalb es in Deutschland keine erwähnenswerten Social Bots gibt.

Man muss immer sehen, dass diese politischen Kampagnen die Methoden nehmen, die als Erfolg versprechend berechnet werden. Und dazu zählen Social Bots derzeit nicht. Das heißt nicht, dass man darauf in Zukunft nicht einen Blick werfen darf. Die Methoden ändern sich jedes Jahr. Mir scheint aber die deutsche Debatte etwas hysterisch in Bezug auf diese Social Bots.

Constanze Kurz , Chaos Computer Club

Besser als mit Social Bots könne man Personen durch Werbung überzeugen, die abgestimmt auf die Interessen und Aktivitäten der Nutzer sei. Dafür würden allgemein zugänglichen Veröffentlichung bei Twitter und Facebook sowie Bewegungsverläufe über andere Programme in Echtzeit ausgewertet. Dann wisse man genau, zu welchem Zeitpunkt die Nutzer für welches Thema gerade Interesse zeigen und könne entsprechende Werbung einblenden. Weniger anspruchsvoll, aber auch im Einsatz seien Twitter-Accounts, die bestehende Meldungen automatisch weiterleiten würden.