Die elektronische Patientenakte ist fast so, wie der Berliner Großflughafen BER: Man baut und baut und baut – und fertig wird eigentlich nichts. Auch hier treten immer wieder Probleme auf. Bundesgesundheitsminister Spahn hat Druck gemacht. Bis 2021 soll jeder Deutscher die Möglichkeit haben, diese Akte zu nutzen. Doch es gibt ein neues, entscheidendes Problem. Darüber berichtete ich für MDR aktuell.
Seit mindestens acht Jahren laufen in Deutschland Versuche mit einer elektronischen Patientenakte. Alle Untersuchungen, Röntgenbilder, Diagnosen und Dokumente sollen zentral gespeichert werden, damit ein behandelnder Arzt immer den aktuellen Überblick hat. Außerdem sollen doppelte Untersuchungen vermieden werden, um beispielsweise die Strahlenbelastung bei Röntgenbildern zu vermindern. Hochsensible Daten, die da gespeichert werden. Deshalb war eine Voraussetzung für diese Sammlung immer: Nur der Patient kann bestimmen, wer Zugriff auf die einzelnen Informationen hat. Und genau das klappt nicht. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung bestätigte die vom Bundesgesundheitsministerium beauftragte Betreiberfirma Gematik, diese Möglichkeit solle erst in Folgestufen des Programms umgesetzt werden. Damit kann jeder Physiotherapeut, jeder Arzt und jeder Apotheker die gesamte Krankengeschichte des Versicherten einsehen. Für den Landesdatenschutzbeauftragten in Thüringen, Lutz Hasse, ist das unzulässig
Nicht jeder Arzt darf jede Diagnose einsehen, wenn es der Versicherte nicht möchte.
Lutz Hasse , Landesdatenschutzbeauftragter Thüringen
Dabei nimmt Lutz Hasse Bezug auf den Entwurf des Digitalen Versorgungs-Gesetzes. Der Patient könne demnach freiwillig an der elektronischen Patientenakte teilnehmen. Deshalb müsse er auch entscheiden können, wer welche Daten sehen darf.
Das geht, das gebe ich zu, aus der Vorschrift nicht unmittelbar hervor. Das könnte man ein bisschen klarer regeln, nach meinem Dafürhalten. Ich würde sie aber als Datenschutzbeauftragter so interpretieren.
Lutz Hasse , Landesdatenschutzbeauftragter Thüringen
Der Thüringer Datenschutzbeauftragte hat deshalb einen ganz praktischen Tipp:
Wenn Sie mich jetzt fragen würden, was Sie hoffentlich nicht tun, wie ich dazu stünde, ob ich freiwillig sozusagen eine solche elektronische Patientenakte über mich anlegen lassen würde, dann würde ich sagen: Ne, erst mal nicht. Da warte ich ab.
Lutz Hasse , Landesdatenschutzbeauftragter Thüringen
Funktionierende Systeme gibt es inzwischen als Einzellösungen: Die Technikerkrankenkasse hat in dieser Woche ein eigenes System der elektronischen Patientenakte gestartet. Hier kann der Patient selbst bestimmen, was wer sehen darf, erklärt Simone Hartmann von der TK Sachsen:
Ich bin selber Herr meiner eigenen Daten. Und kein Arzt, kein Krankenhaus, kein Apotheker hat Zugriff auf meine Daten. Nur ich entscheide, welche Daten ich weitergebe.
Simone Hartmann, Techniker Krankenkasse Sachsen
16 weitere Krankenkassen hatten bereits im September des letzten Jahres das System Vivy gestartet. Es wird unter anderem durch die DAK, diverse Betriebskrankenkassen sowie der Allianz angeboten. Auch hier können Patienten bestimmen, wer welche Daten sehen kann.