Dresdens Fotokamera-Industrie wird abgebaut – Serie zu den Reparationsleistungen nach dem Zweiten Weltkrieg

Praktina
Praktina
Vor 70 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zuende. Deutschland musste den für die Opfer und Zerstörungen Wirtschafts- und Geldleistungen zahlen – bis 1953 über 100 Milliarden Mark. In einer Serie berichtet MDR INFO darüber, wie diese Reparationsleistungen insbesondere den Osten Deutschlands trafen.

In dieser Folge blicke ich nach Dresden und Jena. Dort wurde die Kamera-Industrie, die auch wichtige Rüstungsgüter produzierte, demontiert und abtransportiert.

Geräusch

Ein Geräusch, das Fotospezialisten kennen – Gerd Jehmlich sitzt in seinem Arbeitszimmer. In seiner Hand eine Praktina – der Star aller in Dresden einmal hergestellten Kameras.

Das Besondere an der Kamera war, das es sehr, sehr viele Zusatzgeräte gegeben hat. Es war eine sogenannte Systemkamera. Die wurde ab 1951 in Dresden entwickelt.

Dr. Gerd Jehmlich
Dr. Gerd Jehmlich
Der Mittachtziger war Forschungsdirektor. Er erfand und baute Kameras in Dresden. Und als Buchautor hat er die Geschichte der Kameraproduktion in seiner Stadt aufgearbeitet.

Nach dem Krieg startete die Produktion bei der Zeiss Ikon AG in Dresden schon im Mai 1945, also gleich nach Kriegsende.

Es entstand allgemein die Hoffnung, dass aus eigener Kraft versucht werden konnte, das ganze Elend zu überwinden. Es war wie eine Aufbruchsstimmung.

Zeiss Ikon hatte während des Krieges in einem der Dresdner Werke ausschließlich Rüstungsgüter hergestellt. Hier wurde die Produktion radikal geändert.

Auch im Goehle Werk, was ja ausschließlich Rüstungswerk war, wurde vorgesehen, mit etwa 70 Personen, eine kleine Produktion von Weckeruhren aufzuziehen.

Doch die Aufbruchstimmung hielt nicht einmal fünf Wochen.

Im Goehlewerk wurden die Verantwortlichen um 20. Juni 1945 in Kenntnis gesetzt, dass alle Maschinen und Betriebsmittel in die UdSSR zu überführen seien.

In der Schandauer Straße in Dresden war früher eines der Werte der Zeiss Ikon AG. Heute befinden sich hier die Technischen Sammlungen der Stadt.
In der Schandauer Straße in Dresden war früher eines der Werte der Zeiss Ikon AG. Heute befinden sich hier die Technischen Sammlungen der Stadt.
Nach den Kriegszerstörungen kam jetzt die vollständige Demontage. Die Hoffnung, selbst etwas zu erreichen, verschwand genauso schnell, wie die Produktionsmittel gen Sowjetunion.

Ganz anders beim Mutterkonzern Carl Zeiss in Jena: Auch hier wurde gepackt, doch auf Anordnung der US-Amerikaner, die die Stadt besetzt hatten. Sie wussten, dass Jena den Sowjets übergeben werden sollte, und ordneten schon im April 1945 die Verlagerung der Produktionsgüter nach West-Deutschland in die US-Besatzungszone an. Die Zeichnungen und Forschungsgütern kamen aber nie am Ziel an. Die USA erklärten den Inhalt als Kriegsbeute – und sprachen Deutschland Schadenersatz zu.

Für Gerd Jehmlich eine besondere Situation:

Das wäre natürlich im Osten undenkbar gewesen: Mit einem Gesamtwert von über 21 Millionen D-Mark, deren ersten Raten bereits 1949 flossen.

Mit diesem Geld hatte die West-Neugründung Carl Zeiss Oberkochen ein ideales Startkapital, dass so in Deutschland blieb. Doch auch in Dresden, der einstigen Wiege der deutschen Kameraproduktion, ging es langsam wieder voran. Und so entstand beispielsweise als Vorzeigemodell eben jene Praktina, mit der Gerd Jehmlich während des Gespräches verzaubert herumspielt.

Geräusch