Ein Kommentar zu dem Spionage-Unternehmen von CIA und BND
Die „Operation Rubikon“ ist kein neuer Spionage-Thriller. Nein. Es ist Realität: Der Bundesnachrichtendienst und der US-Geheimdienst CIA haben Medienberichten zufolge über Jahrzehnte mehr als 120 Länder ausspioniert, darunter auch verbündete Staaten. Beide Geheimdienste kauften eine schweizer Firma für Verschlüsselungstechnik. Und so gelang es, den Ländern manipulierte Technologie zu verkaufen und dann die vermeintlich sichere Kommunikation abzuhören. Das ergaben Recherchen des ZDF, der „Washington Post“ und des Schweizer Fernsehens SRF. Dazu kommentierte ich bei MDR Aktuell.
Es ist wie aus einem alten Agententhriller. Doch was schon der ehemalige Spion und heutige Schriftsteller John le Carré wusste und vermutlich noch immer weiß, gilt auch im realen Leben: Man spioniert keine Verbündeten aus – und wenn man es dennoch tut, lässt man sich dabei nicht erwischen. Genau das – und noch viel mehr – ist bei der „Operation Rubikon“ gründlich schief gelaufen. Wenn so etwas schief läuft, auch das lernt man aus den Spionagebüchern, dann muss es Erfolge oder ein Happy End geben. Doch das sieht in der Realität offenbar ganz anders aus. Der ehemaliger deutsche Geheimdienstkoordinator Schmidbauer fasst die Erfolge im ZDF sehr schmallippig zusammen:
„Die Aktion Rubikon hat sicher dazu beigetragen, dass die Welt ein Stück sicherer geblieben ist.“
Ein Stück sicherer sei die Welt also dadurch geworden – nein, geblieben. Das passt nicht ganz zu dem, was die CIA in den jetzt aufgetauchten Papieren triumphierend als „den größten Geheimdienst-Coup“ des letzten Jahrhunderts bezeichnet. BND und CIA verkauften 23 Jahre lang Verschlüsselungsmaschinen und später auch entsprechende Software, die nicht nur verschlüsselten, sondern die Inhalte unverschlüsselt weiterleiteten. Empfänger: die USA und Deutschland. Kunden – also Geschädigte – waren unter anderem Irland, Spanien, Portugal, Italien und die Türkei – also Verbündete der alten Bundesrepublik und des späteren Gesamt-Deutschlands.
Nein, das macht man wirklich nicht unter Freunden. Das ist schwerer Vertrauensbruch. Und wie die Welt dadurch ein Stück sicherer blieb, wird mir aus dem veröffentlichten Material nicht klar.
Auch bei den Ländern, denen man nicht so nahe stand, haben die abgefangenen Informationen nicht dafür gesorgt, dass die Welt sicherer blieb – im Gegenteil: BND und CIA wussten1973 frühzeitig über den anstehenden Sturz des chilenischen Präsidenten Allende Bescheid – doch unternahmen nichts zum Schutz der Demokratie in dem Land. Dem Putsch folgte eine Militärdiktatur.
Ähnlich im Nachbarland Argentinien: Der damalige Bundeskanzler Schmidt war durch die „Operation Rubikon“ über die schweren Menschenrechtsverletzungen informiert. Viele Oppositionelle wurden über dem Atlantik lebendig aus Flugzeugen geschmissen. Insgesamt gab es 30.000 Tote. Der Kanzler unternahm nichts. Der Bundestag erfuhr nichts. Und die ahnungslose Fußball-Nationalmannschaft nahm 1978 an der Weltmeisterschaft in Argentinien teil. Erst unter Kanzler Kohl, als dieser schon elf Jahre im Amt war, stoppte die „Operation Rubikon“. Viel zu spät, wie ich finde. Ohne dokumentierte Erfolge und auch ohne Informationen an das deutsche Parlament. Anders als in den Agententhrillern gab es auch kein Happy End. Die Realität ist eben anders.