Kommentar zum neuen Meldegesetz

MDR INFO, 27.02.13
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Die Einwohnermeldeämter dürfen persönliche Daten künftig nur noch weitergeben, wenn die betroffenen Bürger dem ausdrücklich zustimmen. Diesen Kompromiss beschloss der  Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat nach monatelangen Verhandlungen über das neue Melderecht.

Eigentlich hätte man es gleich so haben können, wie es jetzt der Kompromiss beim Meldegesetz regelt. Denn eigentlich sollte das neue Gesetz den Datenschutz für alle Einwohner Deutschlands verbessern. Doch es kam ganz anders.

Vorweg: Ich bin zufrieden mit dem, was jetzt beschlossen wurde. Aber: Ich bin extrem unzufrieden, wie es dazu kam.

Es war der Abend des 28. Juni des vergangenen Jahres. Deutschland spielte gegen Italien im Halbfinale der Fußball-EM – und verlor. Gleichzeitig tagte der Bundestag und beschloss vor leeren Bänken das neue Meldegesetz – und verlor auch. Nämlich ein Stück Glaubwürdigkeit.

Der eigentliche Entwurf sah vor, dass jeder Bürger zustimmen musste, sollte das Einwohnermeldeamt seine Adresse an Werbefirmen weitergegeben. Der nun beschlossene Text sah vor, dass Name, Straße und Wohnort jedes Deutschen von der Werbeindustrie allzeit abgerufen werden konnten.

Am nächsten morgen wachte Deutschland nicht nur aus dem sportlichen, sondern auch aus dem politischen Alptraum auf: Datenschützer waren entsetzt. Bundestagsabgeordnete verwundert.  Am Schluss sprach sich selbst die  Bundesregierung dafür aus, das Gesetz im Bundesrat zu stoppen.

Peinlich, aber wahr: Offenbar lasen sich einige Politiker erst jetzt richtig durch, was  beschlossen wurde.

Für mich ist das ein Armutszeugnis ohne gleichen. Politiker sind Volks-Vertreter und nicht Lobby-Vertreter. Konkret: Sie vertreten nicht die Werbewirtschaft, sondern die Bürger, deren private Daten kurz davor waren,  billig verscherbelt zu werden, ohne die Bürger selbst zu fragen.

Gut so, dass die Politik in letzter Minute die Notbremse gezogen hat. Und gut, dass es Deutschland nicht so erging, wie bei dem Fußballspiel in der bewussten Nacht. Diesmal hat Deutschland gewonnen.

(c) Michael Voß, www.michael-voss.de

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