Die Richter haben geurteilt und damit ist alles zu Ende. Könnte man denken.
Doch nun muss die eigentliche Aufarbeitung erst beginnen. Denn vieles ist noch ungeklärt.
Bei Unister ist eben alles anders, als normal. Das fängt schon beim Namen an: Mal heißt es „Unister“. Mal heißt es „Junister“. Und das geht bei den Geschäftsmodellen weiter: Mal ist es Recht. Mal ist es Unrecht. Bei Unister ist man immer auf einem sehr schmalen Grad unterwegs gewesen und Außenstehende wussten häufig nicht, was nun wirklich stimmt. Das ging viele Jahre gut, bis im zehnten Jahr des Unternehmens, im Dezember 2012, plötzlich die Geschäftsführung verhaftet wurde. Fast auf den Tag genau fünf weitere Jahre später hat das Landgericht in zwei Fällen entschieden: Es war Unrecht. Als Reisevermittler hätte Unister ausgehandelte Vergünstigungen von Flugpreisen an seine Kunden weitergeben müssen. Sie selbst einzustreichen, war Betrug.
Doch es bleiben Fragen offen – Fragen an Unister, aber auch an die Staatsanwaltschaft und die Aufsichtsbehörden.
Da ist der Vorwurf, Unister hätte den Kunden eine Reiserücktrittsversicherung angeboten, ohne dafür eine Genehmigung zu haben und – vor allem auch – ohne dafür Versicherungssteuer bezahl zu haben. Es ging ursprünglich – so die Staatsanwaltschaft – um mindesten eine Million Euro. Doch so ganz kam dieser Vorwurf nicht hin – denn Steuern hatte das Unternehmen ja bezahlt. Nur eben keine Versicherungssteuer. Diese war damit zwar formell hinterzogen worden, allerdings flossen die Gelder nicht in Unister-Kassen, sondern landeten im falschen Topf des Staates. Deshalb wurde später wohl auch nicht mehr von einer Million Euro Schaden gesprochen. Eine Warnung der für Versicherungen zuständigen Aufsichtsbehörde an Unister soll übrigens nicht abgeschickt worden sein, heißt es immer wieder, und zwar auf Wunsch der Staatsanwaltschaft, um nicht die Ermittlungen zu gefährden. Hätte die Warnung Unister wieder von der illegalen auf die legale Seite der Gradwanderung bringen können?
Und dann bleibt noch die Frage offen, weshalb ursprünglich gegen eine hohe zweistellige Zahl von Mitarbeitern ermittelt wurde, am Ende aber nur vier Anklagen übrig blieben, wovon eine gegen eine Geldzahlung eingestellt und die gegen Firmengründer Thomas Wagner wegen seines Todes nicht mehr verhandelt wurde.
Ja, Firmengründer Thomas Wagner. Aus dem Nichts hatte der Studienabbrecher das Unternehmen innerhalb von acht Jahren zu einem Konzern mit über 1.600 Mitarbeitern geführt. Ein Vorzeigeunternehmen aus Mitteldeutschland. Doch ab wann ging die Gratwanderung vom legalen in den illegalen Bereich? Ab wann stand fest, dass das Unternehmen zahlungsunfähig ist? Gab es sogar eine verschleppte Insolvenz? Oder haben die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und die kurzzeitige Verhaftung der Unternehmensführung zur Insolvenz geführt? Hinweise auf Geldknappheit gab es immer wieder, aber wurden grundsätzlich dementiert.
Erst als Thomas Wagner bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam stand kurz darauf fest, dass das Unternehmen insolvent ist.
Zurück zum Namen: Ein Unister-Mitarbeiter erzählte mir einmal, der Name setzte sich aus „Universität“ und „Magister“ zusammen – also aus dem Ort, wo die Idee zur Firmengründung entstand und aus dem Abschluss, den Firmengründer Thomas Wagner nie erreichte, weil er sein Studium abbrach, um seine eigenes Unternehmen aufzubauen. Korrekt sei also nicht „Junister“, sondern „Unister“.
Heute dürfte das den ehemaligen Mitarbeitern und Gläubigern des Unternehmens egal sein. Sie wollen die offenen Fragen beantwortet haben und fordern einen Untersuchungsausschuss. Auch nach diesem Urteil. Zu Recht.