Ein ungewöhnlicher Brief am 13. August 1961

MDR INFO, 13.08.13

Egon Bahr ist Zeitzeuge des 13. August 1961. Er ist einer der besten Kenner der deutsch-deutschen Politik und war später Beauftragter der Bundesregierung in Berlin. Während des Mauerbaus war er Pressesprecher des Regierenden Bürgermeisters von West-Berlin, Willy Brandt.

Egon Bahr (Foto: Michael Voß)

Berlins Regierender Bürgermeister Willy Brandt war am 13. August 1961 auf Wahlkampftour in Nürnberg, als er vom beginnenden Mauerbau hörte. Sein damaliger Pressesprecher Egon Bahr erlebte die Ereignisse aus erster Hand mit.

War aus dem Zug geholt worden, nach Berlin gebracht worden, ans Brandenburger Tor und hatte dort die Erbitterung, die Verzweiflung, die Hilflosigkeit der Menschen erlebt.

Unter diesem Eindruck ging Brandt in die Alliierte Kommandantur, das erste und einzige Mal in seinen Leben, wie Bahr erzählt.

…. und hatte da unsere unmittelbaren Obersten, also die Stadtkommandanten, gefunden. Die hatten keine Weisung, weil ihre Oberen in Washington, London und Paris gemütlich ins Wochenende aufs Land gefahren waren.

Der spätere Bundeskanzler machte dann etwas, was niemand erwartet.

Er kam zurück ins Schöneberger Rathaus. Hat die „Scheißkerle“ genannt und hat sich entschlossen, in dieser Situation eben sich direkt an den amerikanischen Präsidenten zu wenden, mit der Aufforderung: Da müssen Aktionen kommen. Der Kennedy hat das nicht besonderes gnädig aufgenommen, dass hier sich so ein kleiner Dorfbürgermeistern in diesem Ton sich an den mächtigsten Mann der Welt wendet, hat aber politisch sofort reagiert und eine Kampfgruppe von 1.500 Mann in Marsch gesetzt.

Mit der Truppe kam auch Vizepräsident Johnson nach Berlin. Er überbrachte Brandt eine Antwort von Kennedy.

Da stand drin: Die Maßnahmen können nur revidiert werden durch Krieg. Und niemand will an diesem Punkt zum Krieg gehen. Wir natürlich auch nicht. Und das zweite war: Es wird sich noch als Niederlage herausstellen, wenn eine solche Idee, die auf Weltgeltung angelegt ist, es für notwendig findet, die eigenen Menschen einzumauern.

Bahr interpretiert das alles als stille und unabgesprochene Übereinstimmung zwischen der Sowjetunion und den USA den damaligen Status des geteilten Deutschlands auf jeden Fall beizubehalten.

(c) Michael Voß, www.michael-voss.de

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