Auf dem Chaos Communication Congress in Leipzig gibt es auch Vorträge und Veranstaltungen, die wenig mit digitalen Themen zu tun haben. Es ist inzwischen eine Tradition, sich auch um brennende Probleme zu kümmern, die alle Menschen beschäftigen. Wie schützen sich beispielsweise humanitäre Hilfsorganisationen in Krisengebieten vor Gefahren? Wie kommen sie an Informationen und wie beurteilen sie die aktuelle Lage? Mit Maja Fiedler sprach ich nach dem Beitrag in der ARD INFO Nacht auch darüber, weshalb es auf einem Hackerkongress auch so viele sozialpolitische Themen gibt. Das komplette Gespräch lässt sich im Audio-File nachhören.
Sebastian Jünemann und Ruben Neugebauer sind zwei der Referenten auf dem Hackerkongress, die keine Hacker sind. Beide arbeiten für die noch junge Hilfsorganisation Cadus in Syrien. Sebastian Jünemann als Geschäftsführer:
Unsere Aufgabe ist medizinische Nothilfe in Krisen- und Kriegsgebieten. Und wir sind momentan, glaube ich, die einzige deutsche Organisation, die in akuten Kriegsgebieten arbeitet, also direkt hinter den Frontlinien, und eine der wenigen Organisationen, die in Nordost-Syrien arbeitet.
Sebastian Jünemann, Geschäftsführer Cadus
Mitten im Kriegsgebiet – für die Mitarbeiter ein absolutes Risiko. Um diese Gefahr zu minimieren, ist es notwendig, die aktuelle militärische Lage genau einzuschätzen. Das ist die Aufgabe von Ruben Neugebauer. Für ihn gibt es immer drei “Pfeiler”, wie er es nennt, mit denen Informationen geprüft und bewertet werden.
Das eine ist eben Open source Intelligence, alles was ich im Internet finde, alles was erstmal an mich herangetragen wird. DAs gibt dann aber auch bestimmte Dinge, die man einfach wissen muss, wo es Fachwissen braucht, wo es Leute braucht,die sich wirklich in der Region auskennen. Die können bestimmte Dinge, die dann aus solchen Quellen kommen, einordnen. Und dann ist natürlich super wichtig, was man nie vergessen darf, dass auch immer Menschen in Kriegsgebieten gibt, die dort leben, die dort vor Ort sind und die man eben auch fragen kann.
Ruben Neugebauer, Cadus
Und es gibt noch ein weiteres Kriterium, was wichtig ist, erzählt Neugebauer in seinem Vortrag vor den Besuchern des Chaos Communication Congresses: Es sei….
… immer gut, zwei Quellen zu haben. Wenn ich mir diese zwei Quellen suche, dann ist es immer gut, darauf zu achten, dass die aus unterschiedlichen Spektren sind. Nicht, dass zwei Kämpfer von der selben Einheit es getwittert haben. Sondern, dass ich wirklich schau, die Miliz hat es getwittert, aber ein Journalist hat es auch gebracht, dann ist es wahrscheinlicher, dass es stimmt.
Ruben Neugebauer, Cadus
Sein Chef, Sebastian Jünemann, ergänzt:
Wenn eine einzige Twitter-Quelle behauptet, an einer Stelle sei etwas Gefährliches passiert, dann muss ich zuerst – leider – das als Information ernst nehmen, weil ich sonst meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gefährde.
Sebastian Jünemann, Geschäftsführer Cadus
Ernst nehmen heißt nicht, die Aktion als ganzes abzubrechen, aber vielleicht einzelne Fahrtrouten zu ändern oder einzelne Gebiete zu verlassen. Die eigenen Mitarbeiter zu schützen, habe höchste Priorität. Für strategische und längerfristige Entscheidungen sei aber, das Zwei-Quellen-Prinzip bindend. Auch wenn man mehrere Quellen zur Verfügung hat, werden diese ausführlich untersucht, ergänzt Ruben Neugebauer in seinem Vortrag:
Wenn ich mir solche Quellen anschaue, muss ich mich auch immer fragen: Woher hat die Quelle die Info? Haben die voneinander abgeschrieben? Ist die Quelle lange bekannt? Wer glaubt der Quelle noch? Und was auch immer noch wichtig ist, ist die Gegenseite zu checken.
Ruben Neugebauer, Cadus
Eine Falschmeldung als Wahrheit anzusehen, könnte im Kriegsgebiet Menschenleben kosten. Deshalb sammelt und prüft Ruben Neugebauer alle Informationen sehr sorgfältig.