Kritik am Computersystem des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gab es auf dem Chaos Communication Congress in Leipzig. Darüber berichtete ich für den ARD-Hörfunk.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge setzt digitale Technik ein, um mehr Informationen über die mögliche Herkunft von Asylbewerbern zu bekommen. In den letzten eineinhalb Jahren fehlten nach Bamf-Angaben bei 60 Prozent aller neu registrierten Ausländer die Pässe. Genau bei diesen Asylbewerbern kommt die Technik zum Einsatz. So müssen sie beispielsweise in ihrer Muttersprache ein Bild beschreiben und der Computer kann dann den entsprechenden Dialekt erkennen.
Der Computer analysiert dabei in Echtzeit, welche Sprache und welcher regionale Dialekt dahinter steht. In diesem authentischen Fall wird Arabisch-Levantinisch – ein Dialekt aus Syrien – mit einer Wahrscheinlichkeit von 97 Prozent angeben.
Die Informatikerin und Journalistin Anna Biselli kritisiert auf dem dem Chaos Communication Congress in Leipzig heftig diese Spracherkennung. Gerade die digitale Erkennung von Dialekten werde nicht ordnungsgemäß genutzt. Biselli hatte dafür die Handlungsanweisungen des Bundsamtes für Migration und Flüchtlinge ausgewertet, unter anderem auch die Liste der Sprachen, die dieses Computersystem kennt. Und sie sprach mit Flüchtlingen.
Ich habe zum Beispiel einen Menschen gefunden, der ist eigentlich Kurde und kommt aus den Autonomie-Regionen im Irak, spricht also Kurdisch. Und spricht einen kleineren kurdischen Dialekt. Und dieser kurdische Dialekt taucht überhaupt nicht in der Liste auf. Dieser Mensch wurde trotzdem durch das System gejagt. Das System hätte niemals erkennen können, dass er die Sprach spricht, von der er sagt, dass er sie spricht. Und dann kam dann heraus: Ok, du sprichst türkisch, vielleicht sprichst du auch Hebräisch.
Anna Biselli , Journalistin
Also eine Analyse, die völlig daneben lag, weil ein Dialekt überhaupt nicht im Computersystem vorhanden war. Überhaupt werde die Software des Bamf nach ihren Recherchen falsch eingesetzt. Laut den ihr vorliegenden Dokumenten dürfe das Programm nur für arabische Dialekte eingesetzt werden. Doch die Antworten auf eine kleine Anfrage beim Bundesinnenministerium, die Anna Biselli vorliegen, ergeben ein ganz anderes Bild:
Da gibt es eine Tabelle drin, wo die Herkunftslandangaben der Personen aufgelistet sind, bei denen die Spracherkennung gemacht wurde, und da sieht man: Da sind Menschen aus Kenia dabei, da sind Menschen aus Bangladesch dabei, da sind Menschen aus Venezuela dabei. Und das sind alles keine Länder, in denen Menschen normalerweise arabischsprachliche Muttersprachlerinnen sind.
Anna Biselli , Journalistin
Bisellis Kritik: Hier wird das Programm des Bamf entgegen der eigenen Vorgaben eingesetzt. Doch selbst diese Vorgaben seien nur ungenügend.
Was mir daran auch große Sorgen macht, dass es einfach keine Qualitätskontrolle dazu gibt. Das Bamf selber sagt: Wir haben eine Fehlerquote von 15 Prozent. Das heißt, bei jedem fünften bis sechsten Menschen, der Asyl sucht, liegt dieses System falsch. Und das Bamf weiß das auch. Aber das Bamf gibt einfach keine Hinweise, wie damit umzugehen ist.
Anna Biselli , Journalistin
Das Problematische sei, dass aufgrund dieser falschen Informationen auch Asylbewerber abgelehnt werden würden.
Beim Bamf sieht man dies ganz anders. Der stellvertretende Präsident Markus Richter lobte die eigene Technik noch vor wenigen Tagen:
Ich glaube, dass das Bamf heute einer der absoluten Digitalisierungstreiber im gesamten öffentlichen Raum in Deutschland ist. Das ist in der Öffentlichkeit nicht immer so präsent, aber wir haben ein Netzwerk gebildet, in dem sich jetzt 30 weitere Behörden angeschlossen haben, aus Bund, Land und Kommunen, weil wir erkannt haben: Nur in gemeinsamen Vernetzung kriegen wir neue Technologien auch in den öffentlichen Dienst in die Anwendung.
Markus Richter , Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Wichtig, so Richter, sei aber auch, dass alle Asyl-Entscheidungen nicht vom Computer, sondern von den Mitarbeitern des Bundesamtes gefällt werden.