Kommentar zu 100 Tage Mitteldeutsche S-Bahn

MDR INFO, 25.03.14
–> Beitrag anhören

Heute vor 100 Tagen rollte die S-Bahn Mitteldeutschland erstmals durch Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Rückrat des Netzes ist der City-Tunnel Leipzig, durch den sechs von sieben Linien fahren. Ich, der jeden Wochentag pendelt, zog in meinem Kommentar für MDR INFO eine persönliche Bilanz.

Stellen sie sich vor, dieser Kommentar würde jetzt nicht kommen und sie würden von einer Computerstimme darüber informiert, dass er sich um drei Minuten verspätet.

Unmöglich.

Mir – als wochentäglicher Pendler – passiert das bei der S-Bahn Mitteldeutschland ständig. Die Bahn meint, nur drei Prozent der Züge verspäten sich um fünf oder mehr Minuten. Offenbar fahre ich immer mit diesen drei Prozent oder stehe gerade dann am Bahnsteig, wenn einer dieser Züge nicht kommt.

Was läuft, perdon, rollt falsch?

Tatsächlich liegt es daran, dass die Verspätungen häufig in den Morgenstunden  auftreten, wenn die meisten Fahrgäste auf dem Weg sind. Betroffen sind dann so gut wie immer die die drei längsten Linien. Es sind also nur drei Prozent der Fahrten, aber eine wesentlich höhere Prozentanzahl der Fahrgäste betroffen.

Rechenkunststücke des Bahnmanagement.  Die Kunst des  Eisenbahners vor Ort dagegen ist es, diese Verspätungen wieder aufzuholen. Und das ist derzeit wirklich ein Kunststück.

Ersatzzügen könnten einspringen. Doch es gibt zu wenig Triebzüge – eigentlich nur fünf mehr, als für den Fahrplan unbedingt notwendig sind. Und die stehen meistens in der Werkstatt. Mit anderen Worten: Es gibt keine Ersatzzüge.

Andere Lösung: Lange Wartezeiten an den Endbahnhöfen, die bei Verspätungen wie Puffer wirken. Doch auch diese Möglichkeit gibt es nicht wirklich. Die Wendezeiten sind  möglichst kurz angelegt, damit die wenigen Züge immer rollen.

Und deshalb fahren verspätete Züge häufig gar nicht erst bis zur Endstation, sondern kehren einfach vorher um, kürzen ab und sind dann auf der Rückfahrt wieder pünktlich. Frust bei den Kunden  an der Endstation, die nicht einmal die Verspätung genießen können, sondern überhaupt keinen Zug sehen. Das darf wirklich nicht sein.

Weiteres Problem: Oft sind die Züge der S-Bahn Mitteldeutschland viel zu kurz mit zu wenig Platz für die Fahrgäste. Auch das liegt an der zu geringen Fahrzeugzahl. Wenn viele Triebzüge in der Werkstatt sind, wird an der Länge der noch im Betrieb befindlichen Zügen gekürzt. So einfach ist das.

Und dann bleibt zum Schluss noch die Information der Fahrgäste: Sehr oft stimmen die vom Computer geregelten Ansagen und Anzeigen nicht  dem tatsächlichen Betriebsablauf überein. So wird dann auch schon mal eine S-Bahn nach Halle angesagt und angezeigt, während tatsächlich ein Zug Richtung Thekla am Bahnsteig steht. Pech für den Beförderungsfall, perdon, Fahrgast, der darauf vertraut, was die Bahn sagt.

Die S-Bahn Mitteldeutschland ist gut und notwendig – nur was die Deutsche Bahn als Betreiber daraus macht, erfüllt noch nicht den Standard.

(c) Michael Voß, www.michael-voss.de

Schreibe einen Kommentar