Internet-Staatssekreärin Bär gegen Gesetze zur Rettung alter Geschäftsmodelle

MDR INFO, 16.06.14
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Für Deutschlands Zeitungverleger sind schwere Zeiten angebrochen – und das schon seit langer Zeit.  Werbeeinnahmen und die Zahl der Leser gehen weiter zurück. Immer häufiger klagen die Verleger über die Konkurrenz großer Internetunternehmen, wie Apple oder Google. Gesetzesänderungen sollen den Print-Medien helfen. Doch nun kommen aus der Bundesregierung Signale, dass das so nicht weitergeht. Und es gibt ein Beispiel, wie Zeitschriften ohne Klagen trotzdem vorankommen.

Dorothee Bär ist die Internet-Staatsekretärin und sitzt im Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur. Sie hat Verständnis für die Probleme der Zeitungen und Zeitschriften – der sogenannten Printmedien. Doch ihr Verständnis für deren bisherige Vorgehensweise ist nicht mehr so groß.

Was ich jetzt aber nicht für richtig halte, ist der all zu schnelle Ruf nach dem Gesetzgeber, nur wenn jemand Angst um sein Geschäftsmodell hat. Da muss man eben auch Unternehmerinnen und Unternehmer auffordern, den Mut zu fassen und wirtschaftlich selbstständig darüber nachzudenken, wie man eben auch den veränderten Lebens- und Mediennutzungsgewohnheiten der Menschen entspreche kann. Die Musikindustrie hat es vorgemacht. Das war am Anfang auch eine sehr schwierige Diskussion.

Dorothee Bär spricht  auf einer Veranstaltung des US-Riesen Google. Dessen Manager werden mit Interesse zugehört haben, denn die Gesetzesänderungen trafen meistens Google.

„Vice“ geht an andere Wege

Einer, der aus dem Printbereich kommt, folgt der Staatssekretärin auf der Rednerliste – aber nicht nur dort, sondern auch inhaltlich: Benjamin Ruth. Er ist der Gründer der deutschen Ausgabe von Vice. Hinter diesem englischen Namen verbirgt sich eine Zeitschrift, die 1994 in Kanada gegründet wurde und heute in New York ihren Sitz hat. Diese Zeitschrift, die sich an Leser bis 30 wendet, hat eine erstaunliche Veränderung hinter sich.

Dieses Magazin hat damals, als ich Vice 2005 in Deutschland gegründet habe, 90 Prozent unseres Umsatzes ausgemacht. Heute, neueinhalb Jahre später, sind das nur noch drei Prozent.

Und das liegt nicht daran, dass die Leserschaft zurückgegangen ist. Im Gegenteil: Vice hat sich gezielt zusätzlich im Internet ausgebreitet. Benjamin Ruth erklärt, wieso:

Eine Person, die 1994 geboren wurde, ist heute 20 Jahre alt. Zu dem Zeitpunkt, als die Person 13 geworden ist, gab es bereits 15 Millionen Web-Sites. Und es gab das Mobiltelefon bereits 10 bis 11 Jahre. Diese Person ist so gesehen niemals in einer Zeit aufgewachsen, wo Information nicht immer und überall erhältlich war.

Und genau deshalb habe sich Vice in das Internet ausgebreitet. Wie lässt es sich dort überlebeben?

Ich glaube, die sehr simple Antwort ist, dass wir nicht in Plattformen denken, für die wir produzieren, sondern zu allererst in Inhalten, und dann über verschiedene Kanäle und Plattformen monetarisieren.

„Monetarisieren“ – also Geld verdienen, das funktioniert zum Beispiel mit selbst produzierenten Videos, die natürlich auch auf der eigenen Homepage stehen. Doch Geld wird damit bei Youtube  und anderen Videoplattformen verdient, die für hohe Zuschauerzahlen entsprechend Summen überweisen. Benjamin Ruth fragt deshalb nicht nach Gesetzen, sondern sucht weiter neue Wege, um sein Magazin am Markt zu halten.

(c) Michael Voß, www.michael-voss.de

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