Arne Hüskes ist einer von denen, die sich über die Verzögerung freuen. Der Richter am Amtsgericht Stendal sieht darin einen Aufschub für eine katastrophale Situation in den Geschäftszimmern der Gerichte.
Da rettet uns mit unserer Ausstattung, die wir im Moment haben, allein die Tatsache, dass das besondere elektronische Anwaltspostfach nicht läuft.
Denn, auch wenn beA funktionieren sollte, bleibt die elektronische Gerichtsakte ausgerechnet bei den Gerichten hängen. Denn dort fehlt auf lange Sicht die Technik, um sie digital an alle Verfahrensbeteiligten weiterleiten zu können. Stattdessen muss die Mail mit allen Anhängen ausgedruckt, kopiert und sortiert werden. Wir vor dem digitalen Verschicken in den Anwaltskanzleien. Arne Hüskes, der auch IT-Experte des Bundes der Richter und Staatsanwälte ist, weiß durch Probeläufe, was das für die Geschäftsstellen der Gerichte in Sachsen-Anhalt bedeutet.
Das ist jetzt momentan praktisch so, dass bei einem Schriftsatz – 200 Seiten, das ist bei einem umfangreichen Verfahren nicht so selten – plus Anlagen die Geschäftsstelle für eine Tätigkeit, die früher vielleicht fünf Minuten gedauert hat, da bis zu einer Stunde dran sitzt.
Bis zu zwölf Mal langsamer wird es demnach in den Geschäftsstellen der Gerichte. Im Magdeburger Justizministerium sieht man die Situation nicht so gravierend. Man verweist auf den 1. Januar 2022. Dann erst müssen alle Anwälte die Akte auf dem elektronischen Weg versenden. Vorher sei das noch freiwillig, sagt Cord Nedderman, der das Referat Organisation leitet.
Wie die Anforderungen wirklich aussehen, wird sich aus dem Verhalten aller Beteiligten in dieser Zeit ergeben. Das heißt, da kommen wir gar nicht darum, auch über mehrere Jahre Bedarfsanforderungen aufeinander abzugleichen – aller Beteiligten.
Richter Arne Hüskes sieht noch mehr Probleme. Die Drucker seien für so eine hohe Auflage gar nicht geeignet. Doch auch da widerspricht das Justizministerium. Cord Neddermann:
Wir haben durch eine Prognose eingeschätzt, was kommt da auf uns zu? Das ist eine Menge. Darauf haben wir uns mit den jetzt beschafften Geräten eingestellt.
Der Stendaler Amtsrichter weist noch auf ein drittes Problem hin: Das Landesdatennetz, durch das alle elektronischen Daten in Sachsen-Anhalt fließen, habe zu wenig Leistung.
Als wir vor gut zehn Jahre das elektronische Handelsregister eingeführt wurde, da hatten wir doch Probleme bei umfangreicheren Dateien, dass sie bei uns überhaupt nicht angekommen sind.
Hier bekommt der Richter sogar vom Justizministerium Recht. Tobias Schulz aus dem IT-Referat bestätigt:
Das Netz ist in der Tat ein Problem. Aber da arbeiten wir dran, zusammen mit dem Ministerium für Finanzen, die dafür zuständig sind, dass das Landesnetz verbessert wird.
Für den Amtsrichter im fernen Stendal bleiben die Bedenken aber bestehen. Arne Hüskes sieht Sachsen-Anhalt noch immer nicht ausreichend für den elektronischen Rechtsverkehr vorbereitet.
Politische Reaktionen auf den Beitrag
Die Linken-Fraktion in Sachsen-Anhalt stellte nach meinem Beitrag über den elektronischen Rechtsverkehr Fragen an die Landesregierung, deren Beantwortung hier nachlesbar ist.
1 thought on “Sachsen-Anhalts Richter in Daten-Not – Richterbund: Wir sind für den elektronischen Datenverkehr nicht gerüstet”
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