Deutschland setzt mehr und mehr auf Elektroautos als Ersatz für benzin- und dieselbetriebene Fahrzeuge. Damit soll der Klimawandel verlangsamt und bestenfalls gestoppt werden. Doch die Stromanbieter stöhnen: Es könnte abends, wenn alle Autos nach Feierabend gleichzeitig aufgeladen werden, zu Engpässen in der Stromversorgung kommen. Deshalb wollen sie Ladesäulen auch kurzfristig abschalten können. Dazu sprach ich einen Kommentar bei MDR Aktuell.
Gleich vorweg: Ich bin einer derjenigen, die Elektroauto fahren.
Der Umstieg fiel schwer. War ich früher auf Autobahnen mit meinem Benziner gern mit 170 unterwegs, fahre ich jetzt mit einer eher gemütlichen Geschwindigkeit von 120 Kilometer pro Stunde – so hat mein Wagen eine längere Reichweite, kommt mit einer Akkuladung weiter, als bei hoher Geschwindigkeit. Trotzdem: Konnte ich früher beispielsweise von Leipzig nach Hamburg durchfahren, muss ich jetzt eine Pause zum Nachladen einlegen.
Selbst schuld, höre ich dann oft.
Ja.
Aber Umweltschutz und den Stopp des Klimawandels gibt es nicht für umsonst. Und da will ich meinen Teil zu beitragen. Das ist kein politisches Statement, sondern einfach die Idee, auch meinem Enkel eine gesunde Welt zu hinterlassen.
Umso geschockter war ich, als ich heute früh in unserem Programm einen Sprecher der Stromerzeuger hörte. Er stöhnte darüber, dass bis 2030 30 Prozent aller Fahrzeuge Elektroenergie nutzen würden. Das würde zu enormen Lastspitzen führen, die man nicht leisten könne. Deshalb müsse man die Möglichkeit haben, die Ladesäulen für Elektroautos auch zeitweilige abzustellen. Ein Gesetzentwurf sieht bis zu zwei Stunden Zwangspause vor.
Wie bitte?
Die Elektrizitätswerke bekommen zahlreiche neue Abnehmer, die bislang ausschließlich auf Benzin oder Diesel setzten. Ich habe noch nie gehört, dass sich Unternehmen über zu viel Kunden beschweren und Maßnahmen ergreifen wollen, den Kundenstrom einzudämmen, statt mehr Ware zu produzieren oder vorhandene besser zu verteilen.
Stromanbieter sind die Gewinner dieses Trends. Da muss doch jeder Unternehmer, der halbwegs bei Sinnen ist, jubeln. Und dann sagen: Die nächsten neun Jahre werde ich nutzen, um alles zu tun, meine Neukunden künftig auch zu bedienen.
Die mutmaßlichen Verlierer dieses Trends, die Tankstellen, machen es doch schon vor – da wo es möglich ist: Entlang der Autobahnen entstehen immer mehr Lademöglichkeiten auf dem Gelände von Tankstellen. Während der Elektrowagen auf dem Weg von Leipzig nach Hamburg oder von Dresden nach Nürnberg lädt, setzen sich die Fahrer dann zu einer Pause in die Raststätte oder auch in die Tankstelle. Die Pächter verdienen nun doppelt: an den Ladesäulen und am Verkauf im Imbiss oder Restaurant.
Ideen sind gefragt. Wenn die Elektroautobesitzer nicht alle nach Feierabend gleichzeitig laden sollen, dann sorgen Sie, liebe Stromproduzenten, dafür, dass ihre Kunden es tagsüber und zu jeder Zeit am Arbeitsplatz, auf öffentlichen Parkplätzen, entlang der Straße und in Einkaufzentren machen können, eben dort, wo die Autos sowieso stundenlang herumstehen und nicht genutzt werden. Ein bekannter Stromanbieter aus Baden-Württemberg macht das übrigens schon. Auch Supermärkte oder Fastfood-Ketten bieten auf ihren Parkplätzen Strom an – und das oft sogar gratis, um mehr Kunden zu gewinnen.
Liebe Stromproduzenten! Nicht jammern. Machen. Ideen gibt es. Und Kunden kommen immer mehr zu ihnen. Jetzt sind Sie dran.