Beim Arbeiten, abends beim Fernsehen oder in der Bahn – das Handy ist eigentlich immer dabei. Meist liegt es nur einen Handgriff entfernt. Klar, schnell mal eine Nachricht lesen oder schreiben oder auch was recherchieren – da hat man es schnell zur Hand. Gerade, wenn bei Google zum Beispiel nach einem Weihnachtsgeschenk gesucht wurde, dann gibt es im Anschluss passend dazu Werbung angezeigt – dank der Cookies. Aber was ist, wenn man Werbung zu Dingen erhält, nach denen man gar nicht aktiv gesucht hat, sondern über die man sich allenfalls unterhalten hat. Und das auch nicht am Telefon. Darüber wunderte sich eine Hörerin – und beim Nachrichtenradio MDR Aktuell ging ich dieser Beobachtung nach. Kann das Handy mithören?
Die Antwort der Fachleute ist klar und eindeutig.
Technisch möglich ist das.
Thomas Uhlemann, Sicherheitsspezialist beim IT-Dienstleister Eset
…sagt Thomas Uhlemann, Sicherheitsspezialist im beim IT-Dienstleister Eset in Jena. Und es gäbe auch vernünftige Gründe, weshalb das so sein muss.
Die Handys haben ja Mikrofone integriert – müssen sie ja auch, damit wir auch die Telefonfunktion nutzen können. Und alle möglichen Apps verlangen natürlich Zugriff auf diese Mikrofone, um eben – zum Beispiel – Sprachnachrichten aufzuzeichnen oder eben auch Videos, mit Ton am besten.
Thomas Uhlemann, Sicherheitsspezialist beim IT-Dienstleister Eset
Doch wer kann garantieren, dass nur dann mitgehört wird, wenn der Handy-Besitzer dies erlaubt? Können die Anbieter Apple auf den iPhones und Google auf den Android-fähigen Geräten mithören?
Google hat den Assistant, der auf Sprachbefehle hört.
Ok Google, wie wird das Wetter morgen. – Morgen wird es in Leipzig überwiegend bewölkt bei Temperaturen zwischen 6 und 11 Grad.
Dialog mit dem Google Assistant
Das funktioniert nicht nur bei den entsprechenden Tischgeräten und Displays, sondern auch auf dem Handy. Also muss das Handy jederzeit mithören. Allerdings mit einer Einschränkung, wie Google schriftlich mitteilen lässt:
Grundsätzlich wichtig ist, dass Google Assistant nur dann zuhört, wenn das Aktivierungswort „Hey Google“ oder „Ok Google“ genannt wird.
E-Mail der Agentur, die Google in Deutschland betreut
Was nicht ganz richtig ist, denn um auf „Hey, Google“ zu reagieren, muss ja schon vorher zugehört werden. Tatsächlich wird erst, nachdem die App auf dem Handy diese Aktivierungsworte hört, der dann folgende Satz via drahtloses Internet auf die Google Server übertragen. Und dort entscheiden dann die Algorithmen, welche Antwort es darauf gibt und übertragen es über denselben Weg wieder zum Handy.
Wenn alles mitgehört und auf die Server von Apple oder Google geschickt werden würde, müssten Massen an Daten über das mobile Internet übertragen werden. Ob das so ist kann jeder in den Einstellungen seines Handys und auf der Rechnung seines Telefonanbieters kontrollieren, erklärt der Sicherheitsspezialist Thomas Uhlemann:
Wenn ich also feststelle, dass mein Datenvolumen relativ schnell aufgebraucht ist, und ich bin mir sicher, dass ich nicht irgendwelche Videos geschaut oder online gespielt habe, dann wäre das natürlich ein Indiz. Das kommt bei den wenigsten Menschen vor, was wieder ein Hinweis darauf ist, dass also diese ständige Überwachung doch nicht stattfindet.
Thomas Uhlemann, Sicherheitsspezialist beim IT-Dienstleister Eset
Wenn die Handys also nicht mithören, weshalb taucht bei mir dann Werbung zu Themen auf, über die ich nur gesprochen, aber nie geschrieben habe?
Weil die Überwachung doch stattfindet, nur nicht akustisch:
Google, Apple, Facebook und viele andere Apps verfolgen die Standorte der Smartphones, wenn die Funktion nicht explizit ausgeschaltet ist. Zusätzlich erfahren insbesondere Google – über Suchanfragen – und Facebook – über Kommentare, Fotos und Storys – viel über das Leben ihrer Nutzer: Hochzeiten, Reisen, Nachwuchs, Trennungen, schwere Krankheiten – es ist alles nachlesbar und auswertbar.
Wenn zwei Handys unterschiedlicher Besitzer – nenne wir sie A und B – längere Zeit an ein und demselben Standort waren, ist es wahrscheinlich, dass deren Besitzer miteinander gesprochen haben. Wenn sich beide öfter treffen, kann man davon ausgehen, dass sie sich gut kennen. Wenn Nutzer A gerade geheiratet hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass A beim realen Treffen mit B über diese Hochzeit spricht. Nochmals Thomas Uhlemann vom IT-Dienstleister Eset:
Thomas Uhlemann, Sicherheitsspezialist beim IT-Dienstleister Eset
Mit Wahrscheinlichkeiten zu arbeiten ist tatsächlich heute ohne Probleme möglich. Die Rechen-Power ist da. Die Algorithmen dazu sind da.
Was die Algorithmen genau machen, bleibt ein Geheimnis der Unternehmen. Aber die gesammelten Daten kann zumindest bei Google jeder Nutzer in seinem persönlichen Konto anschauen und auch löschen.