MDR INFO, 16.01.14
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Steuerinterziehung im Zusammenhang mit dem unerlaubten Verkauf von Versicherungen und Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht – das sind ernstzunehmende Vorwürfe gegen den Leipziger Internethändler Unister. Jetzt hat die Generalstaatsanwaltschaft Sachsen Klage gegen fünf führende Mitarbeiter des Unternehmens eingereicht. Das Unternehmen betreibt Portale wie ab-in-den-Urlaub.de und fluege.de.
In der Klageschrift der Generalstaatsanwaltschaft geht es zunächst einmal um ein Produkt, welches Unister bei zahlreichen seiner Firmen angeboten hat. Wer für das Produkt zahlte, konnte später kostenfrei seine Reisen umbuchen oder auch stornieren. Unister bezeichnet das bis heute als Serviceleistung. Pressesprecher Konstantin Korosides:
Die Meinung und auch die Einschätzung unserer Juristen ist, dass es gar keine Versicherung war. Wir haben ja auch Steuern bezahlt, nur eben nicht eine Versicherungssteuer, da wir das nicht als Versicherung angesehen haben.
Der Dresdner Oberstaatsanwalt Wolfgang Klein ist mit dieser Einschätzung nicht einverstanden.
Ja, wir sind im Zuge unserer Prüfung zu einem anderen Ergebnis gekommen. Wir gehen davon aus, es handelt sich eindeutig um ein Versicherungsprodukt, weshalb auch Versicherungssteuer fällig geworden wäre. Und dem zu folge ist das auch in unserer Anklage mit eingeflossen.
Für eine Reiserücktrittsversicherung, wie sie auch bei anderen Firmen angeboten wird, wäre in dem Fall eine Versicherungssteuer von mindestens einer Million Euro fällig geworden. Außerdem hätte Unister eine Lizenz für den Verkauf von Versicherungen haben müssen. Das Unternehmen hat diese Serviceleistung inzwischen aus seinem Angebot gestrichen und empfiehlt selbst in den Allgemeinden Geschäftsbedingungen den Abschluss einer Reiserücktrittversicherung.
Doch auch bei der Preispolitik soll nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft bei Unister nicht alles rechtens zugehen und die Kunden getäuscht werden. Oberstaatsanwalt Wolfang Klein:
Wir sind uns auch in dieser Hinsicht relativ sicher, und haben auch insoweit Anklage erhoben, weil hier unserer Auffassung nach fiktive Preise als Schnäppchenpreise dargestellt worden sind, um den Kunden zu locken, das scheinbar besondere Angebot anzunehmen.
Konkret geht es um die sogenannten Streichpreise: Mit dem symbolhaften roten Balken soll ein Preis gestrichen worden sein, den es so nie gegeben habe, lautet der Vorwurf. Es wäre von Anfang an mit den angeblich billigeren Preisen kalkuliert worden. Unister bestreitet dies.
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Am Nachmittag wurde bekannt, dass Unister eine interne Ermittlungseinheit gebildet hat, die unter Leitung des früheren Direktor des Landeskriminalamtes von Mecklenburg-Vorpommern, Ingmar Weitemeier, Unregelmäßigkeiten aufspühren solle.
Aktualisierung, 29.04.16
Nach einer weiteren Gerichtsverhandlung hat Unister am 28.04.16 folgende Pressemitteilung veröffentlicht:
Dreieinhalb Jahre nach dem Beginn der umfassenden Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden gegen Vertreter der UNISTER Group liegt ein erstes Ergebnis zu den Anklagepunkten vor. Das Oberlandesgericht Dresden hat eine Beschwerde der Staatsanwälte auf teilweise Nichtzulassung ihrer Anklage in einem wesentlichen Punkt verworfen. Der Tatbestand der strafbaren Werbung durch so genannte Streichpreise entbehrt auch nach nunmehr letztverbindlicher Auffassung des Oberlandesgerichts der Grundlage. So hatte es zuvor auch das Landgericht Leipzig entschieden.
Insgesamt sollen sich nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts nun jedoch vier statt bislang drei Vertreter der UNISTER Group vor dem Landgericht Leipzig verantworten. Dabei geht es um die zentrale Frage, ob ein auch heute noch auf vielen fremden Portalen im Internet etablierter Umbuchungsservice eine Versicherung sein soll und als solche zu versteuern gewesen wäre.
Außerdem steht in einem nun möglichen Hauptverfahren der erst im Februar dieses Jahres zur Anklage gebrachte Vorwurf im Raum, UNISTER hätte bei der Optimierung von Flugtickets zum Nachteil seiner Kunden gearbeitet. UNISTER weist diesen Vorwurf zurück und geht davon aus, dass sich diese Anklagepunkte vor Gericht vollständig widerlegen lassen.