MDR INFO, 26.11.12
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„Eine Abmahnung ist legale Erpressung“ – so lautet ein geflügeltes Wort. Und nun gibt es sogar eine Anklage wegen Erpressung gegen einen Berliner Abmahn-Anwalt. Abmahnungen sind vom Gesetzgeber gewollt, doch sie werden ganz offensichtlich auch ausgenutzt. Im aktuellen Fall geht es um den Vorwurf der Erpressung in 15 Fällen.
Die Internetseite der Berliner Rechtsanwaltskanzlei sieht seriös aus. Doch sie fällt mit ungewohnten Angeboten auf: Abmahn-Flatrate und Abmahn-Schutzbrief sind da im Angebot. Die Flatrate gibt es zum Beispiel für 40 bis 69 Euro im Monat. Dafür erhält der Mandant eine automatische Anpassung der Texte an sich ändernde Gesetzeslagen, eine entsprechende Überprüfung des Internetsauftritts und einen Premium-Newsletter. Auf der Internetseite gibt es außerdem eine Notfallrufnummer „Soforthilfe bei Abmahnungen“.
Der Autor der Seite, einer der beiden Rechtsanwälte der Kanzlei, weiß sehr genau, wovon er schreibt. Nun gibt es eine Anklage gegen ihn. Der Pressesprecher für das Amtsgericht Tiergarten, Tobias Kehne, mit Einzelheiten:
Es ist so, dass einem Rechtsanwalt vorgeworfen wird, zu Unrecht Abmahnungen abgeschickt zu haben. Er soll jeweils im Namen von angeblichen Mandanten, die ihn in Wahrheit gar nicht beauftragt haben, Abmahnungen an andere Gewerbetreibende verschickt haben, und soll jeweils zu Unrecht Zahlungen von Beträgen zwischen 650 und gut 1.000 Euro verlangt haben. Und er soll auch in diesen Fällen jeweils angedroht haben, dass, wenn nicht unverzüglich bezahlt wird, er dann klagen würde.
Mit anderen Worten: Rechtsanwalt S. hat sein Wissen an seine Mandanten weitergegeben, um sie zu schützen. Aber er hat das Wissen offenbar auch genutzt – so der Vorwurf -, um Nicht-Mandaten abzuzocken. In 15 Fällen lautet der Vorwurf sogar auf Erpressung, wie Gerichtssprecher Tobias Kehne bestätigt.
Die Staatsanwaltschaft geht offensichtlich davon aus, dass die Drohnung mit einem gerichtlichen Klageverfahren ohne jede Grundlage die Drohnung mit einem rechtswidrigen Übel ist. Das ist erstmal der Anklagevorwurf. Und ob sich das dann so bestätigt, muss natürlich vor Gericht ausverhandelt werden.
Die Gerichtsverhandlung ist für Mitte Februar angesetzt. Doch Rechtsanwalt S., so ist von Betroffenen zu hören, verschickt inzwischen bereits neue Abmahnungen.