Vergangene Woche hatte der US-Senat in Washington für neue Sanktionen gegen Russland gestimmt. Damit sollen die Annexion der Krim und die mutmaßlichen russischen Hackerangriffe während des US-Wahlkampfs geahndet werden. US-Präsident Trump hat angekündigt, dass Gesetz demnächst zu unterschreiben. Deutschland und Frankreich haben jetzt diese Sanktionen gegen Russland scharf kritisiert. Bundeswirtschaftministerin Zypries betrachtet diese als völkerrechtswidrig. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte sie, das Gesetz sehe auch Sanktionen gegenüber deutschen und europäischen Unternehmen vor. Sind die US-Sanktionen gegen Russland völkerechtswidrig? Für MDR Aktuell habe ich dazu den Faktencheck gemacht.
Das US-Parlament hat mit einer Zweidrittel-Mehrheit – also mit den Stimmen von Demokraten und Republikanern – die neuen Sanktionen gegen Russland beschlossen. Bereits seit 2014 bestehende Sanktionen werden damit ausgeweitet.
Bundeswirtschaftsministerin Zypries von der SPD hat das kräftig kritisiert. Zustimmung auch aus der CDU: Der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen, Jürgen Hardt, sprach ebenfalls von „völkerrechtswidrigen“ Sanktionen. Auch Die Linke stimmte zu. Ähnliche Ansichten kommen auch aus dem französischen Außenministerium und von der EU-Kommission.
Christian Tietje ist Jura-Professor an der Universität Halle-Wittenberg und leitet die Forschungsstelle Transnationales Wirtschaftsrecht. Europaweit scheint Einigkeit zu herrschen, doch verstoßen die USA tatsächlich gegen das Völkerrecht?
Ja. Es stimmt. Ein Staat hat grundsätzlich nur die Möglichkeit, auf sein Staatsgebiet bezogen Regelungen zu erlassen, oder Regelungen, die seine Staatsangehörigen betreffen. Die vorgesehen Regelungen in den USA betreffen europäische Unternehmen, die Geschäfte mit Russland machen, ohne dass diese amerikanische Unternehmen sind, bzw. auf dem Territorium der USA Geschäfte tätigen.
Wenn man sich die Sanktionen genau anschaut, richten sie sich gegen wichtige russische Wirtschaftszweige, darunter insbesondere auch den für Moskau zentralen Energiesektor. Und genau das könnte Projekte mit EU-Unternehmen treffen. An der Ostsee-Pipeline beispielsweise sind europäische Firmen mit insgesamt 9,5 Milliarden Euro beteiligt. Die Pipeline soll Erdgas von Russland durch die Ostsee bis nach Deutschland leiten.
Christian Tietje weist aber auch auf mögliche Ausnahmen im internationalen Recht hin, auf die sich die USA möglicherweise berufen könnten, um ihre Sanktionen gegen Russland durchzusetzen.
Ein Staat kann Recht, das andere betrifft, erlassen, wenn sich Sachverhalte auf sein Territorium auswirken. Ein zweiter Ausnahmegesichtspunkt der geltend gemacht werden könnte, wären nationale Sicherheitsinteresse.
Beides trifft aber nicht zu, meint der Wirtschaftsjurist Christian Tietje. Die nationale Sicherheit Washingtons werde durch die Ostsee-Pipeline oder durch andere EU-Russland-Geschäfte nicht gefährdet. Und:
Die Geschäfte, die europäische Unternehmen mit Russland machen, betreffen die Wirtschaft der USA nicht, sieht man mal davon ab, dass es sich um ein normales Wettbewerbsverhältnis handelt.
Christian Tietje bleibt bei seinem Eingangsstatement: Die USA verstoßen mit ihren Sanktionen gegen internationales Recht, weil auch Wirtschaftsunternehmen aus anderen Regionen, wie der EU, betroffen wären.