Vor dem eigentlichen Lokführerstreik fielen in Mitteldeutschland fast alle Fernzüge aus. Die Bahn hatte einen Notfahrplan aufgestellt. Doch der verursachte mehr Ärger als der eigentliche Streik.
„Notfahrplan“ hieß am Vormittag für die Bahnfahrgäste „Not mit dem Fahrplan“. Insbesondere in Mitteldeutschland, denn dort rollte im Fernverkehr schon acht Stunden vor Streikbeginn nichts mehr. In Dresden, Leipzig, Magdeburg, Erfurt und Halle ließ sich kaum ein InterCity oder gar ICE sehen. Die Bahn zeigte von 6 bis 14 Uhr, dass sie selbst einen Streik organisieren kann. Doch dann kam der Schichtwechsel: Seit 14 Uhr sind nun die Streikprofis der Gewerkschaft GDL am Zug – und das wörtlich, denn im Zug ist niemand mehr – kein Fahrgast und kein Lokführer. Zwei von drei Fernzügen fallen nach Bahnangaben aus – wenn die Zahlen stimmen, wäre das für Mitteldeutschland eine bessere Situation, als heute Vormittag vor dem Streik mit dem Notfahrplan.
So muss sich die Bahn kritische Fragen gefallen lassen:
- Was sollte der Betriebsstillstand im Fernverkehr lange vor Beginn des Streiks?
- Warum gab es darüber nicht rechtzeitig Vorabinformationen für die Fahrgäste?
- Und warum hat der „Notfahrplan“ fast den gesamten Osten Deutschlands vom Fernverkehr abgekoppelt, während im Westen noch fleißig Züge fuhren?
Zumindest die erste Frage versucht die Bahn heute zu beantworten: Man wolle mit dem Notfahrplan dafür sorgen, dass morgen früh der Betrieb nach Streikende sofort wieder aufgenommen werden kann. Doch auch das ist – mit Verlaub – Quatsch. Morgen soll es rechtzeitig losgehen, wo sich doch jeder auf den schleppenden Start rechtzeitig einstellen konnte, während es heute früh überraschenderweise ohne rechtzeige Warnung für viele gar nicht erst los ging. Was – und vor allem wem – soll dieser Tausch etwas bringen?
Die Bahn hat sich damit viel Sympathie bei den Fahrgästen verspielt. Denn die Meinung ist klar: Ein Streik ist störend, doch hat jeder Arbeitnehmer ein Recht zu streiken. Aber ein massives Streichen von Zugverbindungen durch die Bahn selbst – das muss nun wirklich nicht sein.
Leidtragende sind die Fahrgäste. Und da hinterlässt es schon einen sehr unschönen Eindruck, dass der Streik ausgerechnet heute stattfindet, wo es am Abend eigentlich ein Gespräch zwischen Bahn und Gewerkschaft geben sollte. Das hat die Bahn nun abgesagt – der Zug ist damit abgefahren, so ziemlich der einzige heute.
Wenn morgen früh um 4 der Lokführerstreik endet und Bilanz gezogen wird, dürfte die eigentlich spannende Frage sein, wer mehr Züge zum Ausfallen brachte: die Bahn oder die Gewerkschaft GDL….