Kommentar zum EU-Datenschutzpaket: Richtlinie aus der digitalen Vorsteinzeit soll abgelöst werden

Europa hat nach vier Jahren Verhandlungen einheitliche Datenschutzregeln beschlossen. Vertreter von EU-Staaten, aus dem Europaparlament und der EU-Kommission einigten sich in Brüssel auf einen Kompromiss. Der muss noch vom Rat der EU-Staaten und dem Europaparlament abgesegnet werden. Anfang 2018 gilt dann ein einheitlicher Datenschutz in der EU. Mein Kommentar bei MDR INFO dazu.

Das Gute zuerst. Exzellent, dass Europa jetzt dem einheitlichen Datenschutz einen Schritt näher gekommen ist – in jedem Land der EU soll das gleiche Recht gelten. Toll, dass man auch mit den großen Online-Diensten sprach. Grandios: Verstöße gegen den Datenschutz können mit Geldstrafen von bis zu vier Prozent der Jahresumsätze belegt werden und jeder in Europa kann das in seinem Heimatland melden. Wunderbar, dass die Politiker jetzt zeigen können, wie gut sie sich online auskennen.

Doch setzen wir die rosarote Jubel-Datenschutz-Brille einmal ab.

Europas geltende Datenschutzvorschriften sind 20 Jahre alt. Anno 1995 – in der digitalen Zeitrechnung ist das die Vorsteinzeit. Über Anbieter wie AOL oder CompuServe ging man unter viel Gepiepe eines Modems ins Internet. Facebook, Google, Twitter, Laptops, Tablets oder Smartphones – all das gab es noch nicht. Aber das Gesetz aus dieser Zeit gilt noch immer. Nun wird es endlich abgelöst. Doch nicht etwas sofort, sondern in erst zwei Jahren.

Zwei Jahre, das sind in der digitalen Zeitrechnung inzwischen mehrere Generationen. Ganze Betriebssysteme werden sich in dieser Zeit grundlegend verändern, ein neues Smartphone jeder beliebigen Marke ist garantiert schon wieder auf dem Markt und neue Quantencomputer werden den Umfang der Daten kolossal vergrößern.

Doch selbst nach dem heutigen Stand der digitalen Technik reichen die neuen Regeln schon nicht mehr aus. Kritiker bemängeln, dass beispielsweise intelligente Lösungen zum Datenschutz gar nicht berücksichtig werden. So ist es heute schon möglich, Datensätze so zu verfremden, dass kein Personenbezug mehr besteht, mit den Daten aber für Wissenschaft und Wirtschaft in vollem Umfang gearbeitet werden kann. Das übliche Löschen personenbezogener Daten wäre unnötig.

Die neuen Regelungen vergrößern die Datenflut sogar. Jugendliche dürfen demnächst erst ab 13 Jahren Facebook, Twitter und ähnliche Angebote nutzen. Bis 16 brauchen sie die Erlaubnis ihrer Eltern. Um das nachzuweisen brauchen die Anbieter wiederum die Personalausweise der Jugendlichen und ihrer Eltern. Die werden dann – natürlich – gespeichert, denn der Altersnachweis muss dokumentiert werden.

Zusammengefasst: Gut, dass es nach zwei Jahrzehnte endlich eine Aktualisierung der europäischen Datenschutzbestimmungen gibt. Schlecht, dass die Politik und Justiz noch immer viel zu langsam sind und den aktuellen Entwicklungen mehr als nur hinterher rennen. Auch die politische Zeitrechnung muss der digitalen Zeitrechnung angepasst, mindestens angenähert werden, wenn man sein Ziel erreichen möchte. Das hat Europa erneut verpasst.