Ist ein Virus im Kanzleramt etwas Normales?

In der MDR INFO-Rubrik „Hörer machen Programm“ fragt Frank Schirlitz:

Man hört ja immer wieder Schlagzeilen über Straftaten im Internet oder Cyber-Terror. Und dann hört man Dinge wie ‚Virus im Kanzleramt gefunden‘ oder ‚Sony Pictures von Nord-Korea gehackt‘. Und wenn man dann weiter schaut: Für Fachleute ist das meistens etwas völlig Normales. Zum Beispiel ein Virusfund im Kanzleramt ist ziemlich normal. Oder: Sony hat einfach eine sehr laxe Sicherheitspolitik. Und meine Frage dabei ist: Warum haben solche Ansichten immer wenig Platz in den offiziellen Schlagzeilen? Warum hört man davon so wenig?

Ich bin ist dieser Frage nachgegangen und habe Antworten.

Jemand, der sich in Sachen Cyber-Angriffe und Spionage im Internet sehr gut auskennt, ist Thorsten Urbanski. Er ist Pressesprecher bei GDATA, einem deutschen Unternehmen, welches Antiviren-Programme herstellt. Ist ein Angriff auf das Kanzleramt tatsächlich so normal?

Cyberspionage-Angriffe sind nichts Ungewöhnliches. Man kann sehr wohl davon ausgehen, dass das Bundeskanzleramt täglich angegriffen wird. Große Unternehmen ebenfalls. Genauso wie wir das auch beobachten bei Internationalen Organisationen.

Wenn das das so normal ist, weshalb wird dann darüber berichtet? Wie sieht das eigentlich bei MDR INFO aus? Fragen für Jana Hahn, die Wellenchefin dieses Nachrichtenradios ist.

Als Redaktion wissen wir natürlich auch, dass Viren und Schadsoftware heutzutage was völlig Normales sind. Wir gucken immer: Wie relevant ist ein Vorfall? Welche Konsequenzen hat er möglicherweise? Welche Folgen – politische oder für unsere Hörer? Und was resultiert da möglicherweise draus?

Die Reporter von MDR INFO haben genau diese Punkte beantwortet. In der Tat gibt es sehr viele Angriffe auf Unternehmen, Organisationen, aber auch Privatpersonen. Allein die Deutsche Telekom registriert nach eigenen Angaben pro Tag bis zu eine Million Angriffe auf ihr Netz. Stuxnet war ein Trojaner, der drastisch zeigte, was Cyberspionage und –krieg bedeuten kann: 2010 legte er unter anderem das iranische Atomprogramm fast vollständig still.

Für Fachleute ist klar, dass sich die Internetkriminalität und – Spionage im mehr ausweiten wird. Thorsten Urbanski weiß warum:

Wenn wir also über Cyberspionage reden – und Angriffen von Geheimdiensten – , so ist das einfach nur eine Verlagerung des Tätigkeitsfeldes. Das heißt, früher musste man einen Maulwurf inthronisieren, also irgendwo in der Regierungsbehörde. Heute erledigt das ein Computer-Schädling.

Und das ist weniger gefährlich, denn wenn der entdeckt wird, sitzt der Programmierer selbst auf der anderen Seite der Welt.

Während Regierungsbehörden und große Firmen nach Einschätzung des Experten gut auf Angriffe von außen vorbereitet sind, ist das gerade im Mittelstand oft nicht der Fall. Thorsten Urbanski:

Das beginnt allein schon mit dem Verständnis: Was ist denn überhaupt ein Computer? Betrachten wir zum Beispiel ein Smartphone oder ein Tablet, so wird das ja oftmals nicht als Computer betrachtet, sondern als Handy. Aber diese Geräte werden genauso angegriffen und werden oftmals in Strategien nicht unbedingt wirklich eingebunden.

Zusammengefasst: Aufklärung über digitale Schädlinge fehlt noch in vielen Firmen, insbesondere beim Mittelstand. Und auf der Gegenseite ist es genau andersherum: Kriminelle lernen immer besser, wie sie in Computer-Systeme eindringen können, so dass Angriffe auf digitale Arbeitsplätze immer häufiger werden. Eine gefährliche Situation. Auch deshalb sind öffentliche Informationen über Cyberangriffe wichtig.