Online-Händer: Abmahnungen sind existenzbedrohend – Händlerbund warnt vor Abmahnungen bei Bagatellfällen

Yvonne Bachmann warnt vor Abmahnungen bei Bagatellfällen
Yvonne Bachmann warnt vor Abmahnungen bei Bagatellfällen
Für Online-Händler in Deutschland werden Abmahnungen zunehmend existenzbedrohend. Das ist das Ergebnis der jetzt veröffentlichten Abmahnstudie. Sie wird vom Händlerbund herausgegeben, in dem sich Anbieter von insgesamt 70.000 deutschen Online-Geschäften zusammengeschlossen haben. Darüber berichtete ich für MDR Aktuell.

Hinter vielen Türen der Leipziger Zentrale des Händlerbundes sitzen Anwälte. Sie vertreten die Interessen der kleineren Online-Händler, die keine eigene Rechtsabteilung besitzen. Yvonne Bachmann ist eine dieser Juristen und sie kennt die Probleme der Händler genau.

Unsere aktuelle Studie besagt, dass im vergangenen Jahr 2017 jeder dritte Online-Händler abgemahnt wurde.

Abmahnungen sind eigentlich kostenfrei. Damit soll ein Händler den anderen auf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht aufmerksam machen. Beispielsweise, wenn die Angabe fehlt, ob die Mehrwertsteuer inklusive ist oder der Kilopreis fehlt. Doch die Abmahnungen werden teuer, sobald Anwälte mit dabei sind. Denn diese dürfen ihre Rechnung denen präsentieren, die gegen geltendes Gesetz verstoßen. Ein lukratives Geschäft. Und genau hier sieht der Händlerbund eine Gefahr – weil oft Anwälte eingesetzt werden, obwohl sie eigentlich nicht nötig wären.

Anwälte und Vereine haben sich spezialisiert auf Abmahnungen, schicken also Reihenweise Abmahnungen mit ihren Händlern, die sie als Mandanten haben, zusammen raus, und verdienen damit richtig Geld. Der Großteil sind Bagatellverstöße, die hier abgemahnt werden, mit Kostenfolgen in Höhe von vielen hundert bis tausend Euro.

Und noch teurer kann es werden, wenn der abgemahnte Händler eine Verpflichtungserklärung unterschreibt. Darin sichert er zu, den Fehler – also beispielsweise einen fehlender Hinweis auf die Mehrwertsteuer – nicht ein weiteres Mal zu machen. Sollte es doch geschehen, muss der Händler eine in der Verpflichtungserklärung genannte Vertragsstrafe zahlen. Und die beträgt selbst bei kleinen Fehlern häufig bereits 5.000 Euro. Und zwar bei jeder Wiederholung. Wenn ein und dieselbe Werbeanzeige des Händlers bei Google 100 Mal aufgerufen wird, vervielfacht sich dieser Betrag, wie Yvonne Bachmann erklärt:

Das heißt: 5.000 Euro mal 100. Und dann ist es vorbei. Dann kann der Händler sein Geschäft schließen. Weil das nicht zu stemmen ist.

500.000 Euro. Das ist eine Summe, für die die meisten Händler sehr lange arbeiten müssen oder die sie nie erreichen werden.

Der auf Internetrecht spezialisierte Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke sieht es genau andersherum: Abmahnungen würden sogar Kosten verhindern.

Das Positive an Abmahnungen ist, dass damit fast 90 Prozent aller Gerichtsprozesse vermieden werden können. Das bedeutet: Wenn eine Abmahnung rechtmäßig ist, dann wird der Gegner in der Regel über einen Rechtsverstoß aufgeklärt und kann ihn schnell und verhältnismäßig kostengünstig wieder abstellen.

Der Händlerbund hat allerdings andere Erfahrungen: Die Zahl der Abmahnungen, die doch vor Gericht gelangten, habe sich seit 2015 verdreifacht. Deshalb der Appell von Yvonne Bachmann an die Händler:

Schreibt euch gegenseitig an. Sagt euch, was der Fehler ist. Und dann verdienen nicht mehr die Abmahnanwälte und die Vereine dran und trotzdem sind alle glücklich und zufrieden.

Außerdem, so die Rechtsanwältin, fordere der Händlerbund die Politik auf, den Rechtsmissbrauch von Abmahnungen bei Bagatellfällen per Gesetz zu stoppen.